Allgemein

Solidarität mit einer Kollegin*

Am 01.04.2016 mussten zahlreiche Kulturprojekte, ein alternatives Hotel/Bio-Restaurant sowie die Drogenhilfeeinrichtung „Palette“ die Schlüssel zu ihren, teilweise seit 25 Jahren genutzten, Räumlichkeiten im „Schanzenhof“, ganz in der Nähe unserer Fahrradwerkstatt im Centro Sociale, abgeben. Der Hintergrund hierfür war der Verkauf des Gebäudekomplexes an die Gebrüder Max und Moritz Schommartz / HWS Immobilien im Jahr 2013, die die laufenden Mietverträge kündigten, da mittlerweile deutlich höhere Mieten mit dem Gebäude zu erzielen sind.

Hiergegen protestierten die betroffenen Projekte und zahlreiche Unterstützer_innen nicht nur bei der Schlüsselübergabe, sondern auch in den darauffolgenden Wochen. Einer der neuen Besitzer:innen* der Immobilie sprach im Zuge dessen Hausverbote gegen zahlreiche beteiligte Menschen aus, so auch gegen eine Mitarbeiterin* der Drogenhilfeeinrichtung „Palette“. Anstatt ihre Angestellte* und Kollegin* daraufhin zu unterstützen, setzte die Leitung der Einrichtung dieses Hausverbot um und veresetzte die Mitarbeiterin* und Betriebsrätin* in eine andere Einrichtung des Vereins.

Die TAZ zum Vorfall: TAZ

Wir stehen diesem Verhalten äußerst kritisch gegenüber, da wir einen solidarischen Umgang unter Kolleg_innen als eine Grundvoraussetzung der Sozialen Arbeit betrachten. Darum schickten wir folgende Email an die Einrichtungsleitung der Palette:

„Moin moin Frau Anke Mohnert,

hiermit protestieren wir gegen das Hausverbot und die Versetzung Ihrer Angestellten und Kollegin Frau Ulrike Winkelmann.

Wir, die Straßenpirat:innen, sind ein gemeinnütziger Verein der offenen Jugendkulturarbeit aus den Stadtteilen Sternschanze, St. Pauli und Karoviertel. Mit Fassungslosigkeit und Wut beobachten wir das repressive Vorgehen der Gebrüder Schommartz gegen die etablierten (sozialen) Initiativen im Schanzenhof. Wir solidarisieren uns mit Ulrike Winkelmann und allen Anderen von Repression betroffenen.

Mit Besorgnis und Empörung haben wir das Hausverbot und die Versetzung von Ulrike Winkelmann durch Sie vernommen. Wir sind schockiert, dass Sie sich haben so „einfach“ unter Druck setzen lassen. Stattdessen hätten Sie Ihrer Angestellten und Kollegin solidarisch zur Seite stehen sollen!
Frau Anke Mohnert, Sie sind Ihrer Funktion als Leitung und der damit einhergehenden Verantwortung für Ihr Team nicht nachgekommen, indem Sie das erteilte Hausverbot von den Gebrüdern Schommartz weiter an Ihre Angestellte geleitet haben. Sie hätten es vorerst wohlwollend prüfen lassen und sich öffentlich positionieren sollen. Ihr Verhalten hat Auswirkungen auf andere Angestellte und das Team, sich besser nicht im Betrieb zu solidarisieren und Position zu beziehen. Es verunsichert und ängstigt Kolleg:innen*, sich besser nicht zu verhalten – es könnte einem Selbst ja auch so ergehen.
Außerdem ist es ein Angriff auf die „freie Meinungsäußerung“ von Personen innerhalb und außerhalb ihrer Arbeitsstelle, Sich in der Freizeit oder als Gewerkschaftsmitglied politisch zu betätigen und deshalb den Unmut z.B. von den Schommartz auf sich zu ziehen. Sie haben sich mit Ihrer Entscheidung zum Handlanger der Gebrüder Schommartz machen lassen. Soziales und politisches Engagement sollte unserer Meinung nach als etwas positives und unterstützenswertes wahrgenommen werden.
Wir wollen Sie auf weitere Aspekte dieser Auseinandersetzung hinweisen:
Mit großem Interesse haben wir Ihre öffentliche Stellungnahme in der taz, zu der Versetzung und dem Hausverbot, gelesen und diskutiert. Ihr zentrales Argument, für das Hausverbot und die Versetzung Ihrer Angestellten, war die Verantwortung gegenüber rund 600 Klient*innen. Die Gefahr, bei Nicht-Verhalten bzw. offensivem und selbstbewusstem Vorgehen, bis zum Monatsende aus dem Schanzenhof rausgeworfen zu werden – und damit der Verantwortung gegenüber Ihren Klient*innen nicht mehr nachkommen zu können. Dies ist für uns nachvollziehbar, aber nicht richtig. Sie tragen eine Verantwortung für Ihre Angestellten und für Ihre Klient*innen! Es ist gut vorstellbar, dass Ihr Verhalten Klient:innen* verunsichert und die Vertrauensarbeit erschwert. Sie hätten auch klar Position für die Klient:innen* beziehen können: Durch die Rolle der Gebrüder Schommartz, welche als Spekulanten und profitgierige Personen wahrgenommen werden sollten, die einen der letzten Orte in dieser Gegend aufwerten (Gentrifizieren) und ein Interesse daran haben, Drogennutzer:innen*, Menschen die nicht mit dem entsprechenden Geldbeutel ausgestattet sind zu vertreiben. Ein offensives Auftreten Ihrerseits hätte es öffentlich schwieriger für die Gebrüder Schommartz gemacht. Es wäre nicht sicher gewesen, ob die Palette e.V. bis Monatsende gekündigt worden wäre und ob man sich hätte dagegen wehren können. Sie hätten prüfen können, inwieweit Sie mit einem offensiven Umgang mehr Solidarität aus dem Viertel erhalten hätten, und damit die Möglichkeit, die Arbeit der Palette e.V. für einige Zeit in anderer Form, in anderen Einrichtungen/Räumen im Viertel und öffentlichen Raum, stattfinden zu lassen.
In Ihrer Entscheidung nicht auf solidarische Strukturen zu bauen, sondern den Schommartz-Brüdern nachzugeben, sehen wir auch eine generelle Haltung innerhalb der sozialen Arbeit. Wir sehen in sämtlichen Bereichen der sozialen Arbeit ein stillschweigendes Selbstverständnis, schlechte Arbeitsbedingungen und schlechte Bezahlung hinzunehmen, sich aufzuopfern – weil wir es ja mit Menschen zu tun haben, und zu schuften bis wir krank sind. Dabei wird oft vergessen, dass wir gegenüber unserer Adressat:innen* auch eine politische Verantwortung haben. Gerade zu Zeiten der massiven Verdrängung von Menschen z.B. Drogennutzer:innen*, Sexarbeiter:innen* und Jugendlichen aus dem öffentlichen Raum, racial Profiling, Erschwerung an Teilhabe z.B. Bildungsstätten, Museen, Theater, …, ist es unsere Aufgabe gegen die massiven Kürzungen in der sozialen Arbeit vorzugehen und dem weiteren Klaffen der Gesellschaft in Arm und Reich etwas entgegenzusetzen!
Daher ist uns Straßenpirat:innen*, ein solidarisches Miteinander und deren Vermittlung ein zentrales Anliegen. Das Eintreten für bessere sozialere Verhältnisse ist für uns eine Lebensaufgabe, welche wir nur zusammen entwickeln können.
Wir verstehen den Kauf des Schanzenhofs durch die Gebrüder Schommartz, die Kündigungen der dortigen Initiativen und Einrichtungen, das repressive Vorgehen gegen die selbigen Strukturen und Personen und den Versuch, Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen als Angriff auf uns Alle! Dies geschieht unserer Ansicht nach im Rahmen der Profitmaximierung und dem damit einhergehenden Ausverkauf der Stadt.

Wir, Pirat:innen* schließen uns dem Schreiben der „Unterstützungsini Ulrike Winkelmann“ für die „Sofortige Aufhebung des Hausverbots gegen die Betriebsratsvorsitzende* von Palette e.V.“ an.

Vielen Dank

Straßenpirat:innen*